Seit mehr als 10 Jahren ist das Symposium der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen ein etablierter Termin in den Kalendern von Zoonoseforscher*innen aus ganz Deutschland und darüber hinaus. Auch für 2020 war das Programm bereits geplant und die Location in Berlin gebucht. Erste Anzeichen, dass dieses Jahr anders werden würde, gab es bereits bei einem Geschäftsstellentreffen der Zoonosenplattform Anfang Januar. Dieses wurde teilweise durch Telefonate unterbrochen. Thema: das neuartige Coronavirus in Wuhan, China. Doch zu diesem Zeitpunkt war noch unklar, ob es zu einer Pandemie kommen würde. Wenige Monate später haben wir darüber traurige Gewissheit.
Die Bedeutung der Zoonosenforschung
Durch die Pandemie ist vielen Menschen bewusst geworden, dass es Erreger im Tierreich gibt, die unter bestimmten Umständen auf den Menschen übergehen können. Solche neuen Erreger sind in jedem Fall immer einer Herausforderung, aber in der Pandemie wird auch klar, wie wertvoll bereits geleistete Forschungsarbeit zu verwandten Erregern und bereits etablierte Forschungsstrukturen sein können. Die Stunde der Pandemie ist auch die Stunde der Wissenschaft. Zoonosenforschung zahlt sich also in jedem Fall aus, nicht nur in Hinblick auf Coronaviren, sondern auch bei anderen Viren, Bakterien, Pilzen, Parasiten oder Prionen.
Gemeinsam in Berlin dank digitaler Technik
Genau aus diesem Grund wurde „Zoonoses 2020 – International Symposium on Zoonoses Research“ nicht abgesagt, sondern in eine Onlineveranstaltung umgewandelt. Um den Teilnehmer*innen hierbei zumindest eine visuelle Reise nach Berlin zu ermöglichen, waren die einzelnen Programmpunkte in eine virtuelle Abbildung des gewohnten Tagungsortes in Berlin eingebettet. Dies erlaubte den Besuch einer virtuellen Posterausstellung inklusive Austausch mit den Posterautoren per Chat.
Abb. 1: Virtueller Registrierungsdesk - wo normalerweise die Anmeldung der Teilnehmer*innen stattfindet waren für die Besucher*innen der virtuellen Umgebung verschiedene Informationen hinterlegt
Abb. 2: Besuch in der virtuellen Posterausstellung von Zoonoses 2020
Poster Slam – eine Bühne für den wissenschaftlichen Nachwuchs
Im virtuellen Ballsaal wurden die einzelnen Poster von Nachwuchswissenschaftler*innen erstmalig in einem Poster Slam präsentiert. Jeder Posterautor hatte eine Minute Zeit, um dem Publikum seine Forschungsarbeit vorzustellen. Eine ambitionierte Aufgabe, der sich knapp 80 junge Forscher*innen stellten. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Auf unterschiedlichste Art und Weise präsentierten die junge Wissenschaftler*innen ihre Forschungsergebnisse. Dabei wurden dem Publikum nicht nur die generierten Daten präsentiert, sondern es wurde teilweise auch ein Einblick in die Entstehungsgeschichte dahinter gewährt. Der Poster Slam, der Beiträge von Antibiotikaresistenzen bis hin zu Bioinformatik enthielt, bildete dabei die große Diversität der Zoonosenforschung ab und gab jungen Wissenschaftler*innen ein Gesicht und eine Bühne. Die große Kreativität, mit der junge Wissenschaftler*innen der Aufgabe begegneten, begeisterte dabei das Publikum.
Abb. 3: Eine Minute Redezeit auf der großen Bühne. Der Posterslam gab allen Nachwuchswissenschaftler*innen die Chance sich zu präsentieren (Bild Frederic Gusmag, RKI)
Neue und wiederauftretende Infektionskrankheiten – eine große Herausforderung für die Menschheit
Die Keynote-Vorträge wurden ebenfalls im virtuellen Ballsaal auf der Leinwand präsentiert. Alle vier Keynotes waren unter das Motto „Zoonoses as a global challenge“ gestellt. Anders als sonst, wurden die Keynotes durch einen Dialog mit einer Wissenschaftsjournalistin, Dr. Christina Berndt, ergänzt. Sie nahm auch Fragen aus dem Chat mit dem Publikum auf und integrierte diese in die Diskussion. In der ersten Keynote thematisierte Steven Higgs, Professor am Biosecurity Research Institute (BRI) der Kansas State University, USA, das Entstehen und Wiederauftreten von Krankheiten. Dabei legte er einen besonderen Fokus auf durch Arthropoden übertragene Viren, wie das West-Nil-Virus, das Zika-Virus und das Chikungunya-Virus. Die Entstehung neuer Infektionskrankheiten sei kein Phänomen der Neuzeit, sondern konnte auch bereits vor einigen hundert Jahren am Beispiel von Pocken oder Gelbfieber beobachtet werden. In unser heutigen Zeit sei jedoch eine zügige globale Verbreitung durch intensiven Reise- und Warenverkehr begünstigt. Aber auch der Klimawandel spiele eine Rolle, wobei hiervon vor allem Vektor-übertragende Erkrankungen betroffen seien, da klimatische Veränderungen sowohl einen Einfluss auf die Vektorspezies als auch auf das Pathogen haben könnten. Wie sich diese dann in einem neuen Habitat verhalten werden sei sehr schwer vorherzusagen. Am Ende seines Vortrages appellierte Prof. Higgs daran, nachhaltiger in Ausbildung und Forschung zu investieren, um nicht langfristig bereits erlangtes Wissen wieder zu verlieren. Auch die Aufklärung der Öffentlichkeit sei eine wichtige Komponente im Umgang mit neuen und wiederauftretenden Infektionskrankheiten.
Erreger – Vektor – Wirt – komplexe Zusammenhänge und deren Beeinflussung durch den Menschen
A. Marm Kilpatrick, Professor im Department of Ecology and Evolutionary Biology, der University of Carlifornia in Santa Cruz, USA, ging in seiner Keynote noch einmal vertiefend auf das West-Nil-Virus ein. Er präsentierte den Zuschauern Daten, die einen Zusammenhang des Vorkommens von West-Nil-Virus in Mücken mit der Landnutzung herstellen. Demnach werden sowohl Vektoren als auch Wirte und damit schlussendlich auch das Vorkommen eines Erregers selber durch die Umgebung beeinflusst. Jedes Ökosystem ist sehr einzigartig und der Mensch müsse sich bewusstmachen, dass Landnutzung und Urbanisierung auch einen Einfluss auf das Vorkommen und die Verbreitung von Pathogenen haben. Und damit seien noch nicht einmal die Auswirkungen anthropogener Klimaveränderungen mitberücksichtigt. Mit der Betrachtung dieser hochkomplexen Systeme hätte Prof. Kilpatrick problemlos noch zahlreiche weitere Keynote-Vorträge füllen können.
Abb. 4: A. Marm Kilpatrick bei seinem Keynote Vortrag im virtuellen Ballsaal des Online-Symposiums
Leider war jedoch auch die Zeit des digitalen Symposiums begrenzt und mit Kirsten Bos und Christian Drosten bereicherten noch zwei weitere Forscher*innen die Veranstaltung mit ihren bemerkenswerten Forschungsarbeiten.
Zoonotische Erreger in der Vergangenheit – Erkenntnisse aus archäologischen Funden
Abb.5: Die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt (rechts) moderierte die Keynote von Kirsten Bos (links), sowie auch die anderen Keynote-Vorträge des Symposiums
Dr. Kirsten Bos, Leiterin der Forschungsgruppe Molekulare Paläopathologie am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte berichtete in ihrem Vortrag über die Erforschung von Yersinia pestis anhand von DNA aus archäologischen Proben. Obwohl die Analyse solcher „ancient DNA“ sehr anspruchsvoll sei, könne man mittlerweile mit modernen Sequenziermethoden sehr viele Informationen zu Krankheitserregern aus zum Beispiel Knochen- oder Zahnfunden erhalten. So könnten sich auch Unterschiede in dem Vorkommen und der Verbreitung von zoonotischen Infektionskrankheiten im Lauf der Menschheitsgeschichte rekonstruieren. Wichtige Aspekte seien hier der Einsatz von Feuer für die Erhitzung von Lebensmitteln, die Domestikation von Tieren und die Zunahme der Bevölkerungsdichte gewesen.
COVID-19 – eine große Herausforderung für den Winter
Nach diesem Ausflug in die Vergangenheit war die Keynote von Prof. Christian Drosten wieder auf das Hier und Jetzt gerichtet. Als anerkannter Experte für Coronaviren thematisierte er in seinem Vortrag COVID-19. Er präsentierte Ergebnisse zur Infektiosität als Grundlagenwissen für angeordnete Quarantänemaßnahmen. Er verdeutlichte noch einmal die Relevanz von Clustern bei der Verbreitung des Virus und was bei einer drohenden Überlastung der Gesundheitsämter verstärkt beachtet werden sollte. Nicht Einzelfallverfolgungen, sondern die Rekonstruktion und kurzfristige Isolierung sogenannter Quellcluster als teilweise oft unbekannte Infektionsherde für aktuelle Infektionen seien dann angezeigt, um mit begrenzten Ressourcen dennoch wirkungsvoll handeln zu können. Hilfreich und unterstützend für die Kontrolle des Virus sei zudem ein Clusterkontakt-Tagebuch, das möglichst jede Bürgerin und jeder Bürger führen sollte. Auch wenn Deutschland sich durch das vorausschauende Handeln im Frühjahr nach wie vor im Vergleich zu anderen Staaten in einer sehr privilegierten Situation befände, könnte man diesen Vorsprung auch durch Fahrlässigkeit wieder verspielen. Der Winter werde in jedem Fall eine Herausforderung.
Abb. 6: Christian Drosten (rechts) im Gespräch mit der Moderatorin Christina Berndt (links) auf der digitalen Bühne von Zoonoses 2020 – International Symposium on Zoonoses Research
Trotz der eher düsteren Prognose aus diesem letzten Vortrag fällt das Fazit für das erste Online Symposium der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen positiv aus. Mit bis zu 450 Teilnehmer*innen überstieg die Teilnehmerzahl klar das Limit, das bei einer Präsenzveranstaltung möglich gewesen wäre. Mit Postern zu 12 verschiedenen Themengebieten und vier spannenden Keynotes bot auch die etwas verkürzte, digitale Version des Symposiums der vielfältigen und interdisziplinären Zoonosenforschung eine Bühne. Insbesondere der Poster Slam wurde von Teilnehmenden mehrfach gelobt. Die Kreativität der Posterpräsentierenden war beeindruckend. Die Geschäftsstelle überlegt bereits, wie dieses Format auch bei künftigen Präsenzveranstaltungen beibehalten werden könnte. Wir möchten uns an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Teilnehmenden und Mitwirkenden bedanken!
Bis nächstes Jahr – dann hoffentlich wieder gemeinsam in Berlin mit dem allseits vermissten, legendären Buffet im Hotel Steglitz International.
Text: Dr. Dana Thal i.A. für die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen