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Mutiertes SARS-CoV-2 in Nerzfarmen in Dänemark

Bei der aktuellen Coronavirus Pandemie steht die Übertragung von Mensch zu Mensch im Vordergrund und ist für die rasante globale Ausbreitung verantwortlich, weshalb Länder auf der ganzen Welt bei der Eindämmung auf soziale Kontaktbeschränkungen setzten. Neben der dominierenden Übertragung zwischen Menschen gibt es jedoch auch einige Tierspezies, die sich mit dem Virus infizieren können. Dies wurde bereits nachgewiesen bei Hund, Katze [1], Tiger [2], Hamster [3], Flughund, Frettchen [4] und Makaken [5].

SARS-CoV-2 Infektionen bei Nerzen

Ende April 2020, während die erste SARS-COV-2-Infektionswelle durch Europa schwappte, infizierten sich zudem Nerze auf Farmen in den Niederlanden. Die Tiere werden für die Pelzproduktion gehalten. Es wird vermutet, dass sich die Tiere bei einem infizierten Mitarbeiter der Nerzfarmen angesteckt hatten. Das Virus konnte sich rasant zwischen den in Käfigen gehalten Tieren ausbreiten. An den infizierten Tieren steckte sich mutmaßlich wiederum mindestens ein weiterer Farmmitarbeiter an. [6] Zudem konnten auch Antikörper gegen SARS-CoV-2 in Wildkatzen, die auf ihrer Futtersuche in den Farmen umherstreiften, gefunden werden [6]. Das Geschehen hatte zur Folge, dass am 6. Juni 2020 tausende Nerze der betroffenen Farmen gekeult wurden (siehe Artikel in Science). Denn auch wenn die Infektion bei einem Großteil der Tiere symptomlos verlief, befürchteten die niederländischen Behörden, dass die Nerze als Reservoir für das Virus fungieren könnten, welches die Pandemie weiter befeuern würde. Neben den Nerzfarmen in Holland waren auch Farmen in Spanien betroffen, wo nach Bekanntwerden der Infektionen ebenfalls mehrere tausend Tiere getötet wurden.

Nerz

Abb.1: Nerze werden weltweit für die Pelzproduktion gezüchtet. Die Tiere können sich wie der Mensch mit SARS-CoV-2 infizieren (Quelle: Pixabay)

Fälle von SARS-CoV-2 in dänischen Nerzfarmen

Der größte Produzent von Nerzfellen in Europa ist Dänemark mit über 1000 Nerzfarmen (Statistics Denmark). Nach Angabe des dänischen Rats für Ernährung und Landwirtschaft sind Pelze und Nerzhäute die drittgrößten dänischen Agrarexportprodukte tierischen Ursprungs mit einem jährlichen Exportwert von ca. 1,1 Milliarden Euro. Doch mittlerweile hat die COVID-19 Pandemie auch die dänischen Betriebe erreicht. Insbesondere Nerzfarmen im Norden Jütlands sind betroffen. In über 200 Farmen konnte SARS-CoV-2 nachgewiesen werden. Als ersten Schritt ordnete die dänische Regierung daraufhin am 1. Oktober 2020 die Tötung aller Nerze der betroffenen Farmen sowie auf Farmen im Umkreis von 7,8 Kilometern an (siehe Ministeriumswebseite).

Doch Funde von Forschern des dänischen Statens Serum Instituts (SSI) im Erbgut des Virus von Menschen und Nerzen, veranlasste die dänische Regierung zu noch drastischeren Schritten. In einer Pressemitteilung des dänischen Ministeriums für Umwelt und Ernährung vom 5. November 2020 wird die Anordnung bekannt gegeben, dass alle Nerze in Dänemark gekeult werden müssen. Neben der Tötung der Nerze, wurde zudem Beschränkungen für die Bevölkerung in einigen Gemeinden Nord Jütlands (Hjørring, Frederikshavn, Brønderslev, Jammerbugt, Vesthimmerland, Thisted und Læsø) verhängt, damit sich das Virus von dort nicht weiter im Land ausbreiten kann. Das Ministerium begründete dieses Vorgehen zum einen mit den gescheiterten Bemühungen das Infektionsgeschehen in den einzelnen betroffenen Farmen einzudämmen. Zum anderen bestünde jedoch auch die Gefahr, dass das Virus im Zuge seiner Anpassung an den neuen Wirt Mutationen akquirieren könnte, welche sich bei einer Reinfektion des Menschen als weniger sensitiv gegenüber einem Impfstoff erweisen könnten (Abb. 2).

Spillover_Reinfektion_Events

Abb. 2: Schema Spillover-Event und Re-Infektion

Mutierte Virusvariante Grund für Vorsichtsmaßnahmen

Grund für diese Vermutung und die daraus resultierenden weitreichenden Vorsichtsmaßnahmen ist die Entdeckung von Mutationen im Erbgut des Virus aus Nerzen und Menschen, welche Forscher des dänischen SSI gemacht haben. Das dänische Ministerium berichtet in seiner Pressemitteilung, dass vorläufige Studien darauf hindeuten, dass diese Mutationen die Wirksamkeit derzeitiger Impfstoffkandidaten gegen COVID-19 beeinträchtigen könnten. Die Ministerpräsidentin von Dänemark, Mette Frederiksen, berichtete der Nachrichtenagentur Reuters gegenüber, dass Gesundheitsbehörden eine geringere Sensitivität einer Virusvariante gegenüber Antikörpern von bereits infizierter Personen festgestellt hätten.

Das Spike-Protein und der Impfstoff

Das SSI schreibt auf seiner Homepage, dass sich die in Nerzen gefundenen SARS-CoV-2 Varianten anhand ihres Genoms in 5 verschiedene Cluster einteilen lassen. In diesen Clustern lassen sich Varianten mit verschiedenen Mutationen im Spike-Protein des Virus finden. Diese Mutationen sind von besonderem Interesse, da sowohl das menschliche Immunsystem als auch die momentan in der Erprobung befindlichen Impfstoffkandidaten alle Strukturen des Spike-Proteins als Immunogen erkennen. Das bedeutet das diese Strukturen für die Induktion einer adaptiven Immunantwort relevant sind. Eine Veränderung hier könnte demnach Auswirkungen auf die Wirksamkeit eines Impfstoffes haben. In Viren aus Cluster 5 konnten gleich vier verschiedene Mutationen des Spike Protein gefunden werden. Diese Veränderungen betreffen die folgenden Aminosäuren des Spikeproteins: H69del/V70del, Y453F, I692V und M1229I. Laut SSI zeigten erste Studien nun eine reduzierte Sensitivität dieser Virusvariante gegenüber Antikörpern von COVID-19 Patienten. Informationen zu allen Virusvarianten werden nach Angaben des Instituts in die internationale Datenbank GISAID hochgeladen, um Wissenschaftler*innen weltweit den Zugriff darauf zu ermöglichen.

Vorsicht ist besser als Nachsicht

Momentan fehlen noch die veröffentlichten Forschungsdaten sowie weitere Studien, um die Aussagen der dänischen Forscher*innen zu belegen. In einem Artikel in STAT bringen einige Wissenschaftler*innen ihre Zweifel darüber zum Ausdruck, dass einzelne Mutationen ausreichend sein könnten, um Impfstoffkandidaten vollständig unwirksam zu machen. Auch gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass die in den Nerzen erworbenen Mutationen zu einer höheren Pathogenität im Menschen führen würde. Doch die dänische Regierung möchte an dieser Stelle kein Risiko eingehen und verfolgt das Motto „better safe than sorry“. Für die dänische Nerzproduktion bedeutet das ein Verbot bis einschließlich 2021.

Sobald die relevanten Gensequenzen durch die dänischen Wissenschaftler*innen der weltweiten Forschungscommunity zur Verfügung gestellt wurden, kann eine datenbasierte Einschätzung des Risikos durch den neuen Virusstamm gemacht werden. Allerdings wird ein bloßer Blick auf die Sequenzen nicht genügen, um die Auswirkungen der Mutation auf das Verhalten des Virus gegenüber dem Immunsystem abschließend bewerten zu können. Hierzu sind sowohl in-vitro Analysen, wie zum Beispiel Bindungsanalysen mit dem Spike-Protein des Virus oder Serum-Neutralisationstest (SNT)-Studien als auch In-vivo-Experimente notwendig, um die komplexen Interaktionen des mutierten Virus mit dem Immunsystem nachvollziehen zu können.

Virusanpassungen in Echtzeitbeobachtung

Die große Aufmerksamkeit, mit der die wissenschaftliche Community momentan weltweit die Entwicklung des Virus verfolgt, haben dazu geführt, dass der Spillover des Virus vom Menschen auf die Nerze sehr schnell entdeckt wurde und zeitnah auf genetisch untersucht werden kann. Auch wenn diese Veränderungen am Ende keinerlei Auswirkungen auf Immuneigenschaften des Virus haben sollten, so ist diese Echtzeitbetrachtung der Virusanpassung auf genetischer Ebene aus wissenschaftlicher Sicht im jeden Fall sehr spannend.

 

Text: Dr. Dana Thal i. A. für die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen

Literatur:

  1. Shi, J., et al., Susceptibility of ferrets, cats, dogs, and other domesticated animals to SARS-coronavirus 2. Science, 2020. 368(6494): p. 1016-1020.
  2. McAloose, D., et al., From People to Panthera: Natural SARS-CoV-2 Infection in Tigers and Lions at the Bronx Zoo. mBio, 2020. 11(5).
  3. Chan, J.F., et al., Simulation of the clinical and pathological manifestations of Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) in golden Syrian hamster model: implications for disease pathogenesis and transmissibility. Clin Infect Dis, 2020.
  4. Schlottau, K., et al., SARS-CoV-2 in fruit bats, ferrets, pigs, and chickens: an experimental transmission study. The Lancet Microbe, 2020.
  5. Munster, V.J., et al., Respiratory disease in rhesus macaques inoculated with SARS-CoV-2. Nature, 2020. 585(7824): p. 268-272.
  6. Oreshkova, N., et al., SARS-CoV-2 infection in farmed minks, the Netherlands, April and May 2020. Euro Surveill, 2020. 25(23).

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