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Biodiversität und Zoonosen – die Tropen

Die Tropen bilden ein einzigartiges Ökosystem auf unserem Planeten. Ihre enorme Artenvielfalt und ihre natürliche Funktion als Kohlenstoff-Senke machen sie besonders wertvoll für das Leben auf der Erde. Zudem produzieren die tropischen Regenwälder große Mengen an Sauerstoff, den wir zum Überleben benötigen. Doch auch in den Tropen sind die Auswirkungen menschlichen Handels mittlerweile deutlich zu spüren. Ein gemeinsamer Workshop der Zoonosenplattform und der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen am 23.02.23 online widmete sich dem besonderen Ökosystem „Tropische Wälder“ und dessen Biodiversität sowie den Auswirkungen von Landnutzungsveränderungen auf das Vorkommen von Erregern und ihren Vektoren.

Die Tropen sind vielen Menschen als besonders artenreiche Lebensräume unseres Planeten bekannt. Geografisch betrachtet sind sie um den Äquator herum, zwischen dem nördlichen und dem südlichen Wendekreis, lokalisiert, wie Prof. Konrad Fiedler von der Universität Wien erläuterte. Der Professor für Populationsökologie gab den Teilnehmer:innen eine Einführung in das Ökosystem „Tropische Wälder“.

tropischer RegenwaldAbb.: Tropische Regenwälder sind Biodiversitätshotspots unseres Planeten

Durch ihre Lokalisation sind die Tropen intensivster Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Die dadurch entstehende Wärme in Kombination mit hohen Niederschlägen ermöglicht eine besonders hohe Produktion organischer Substanz durch Photosynthese, die sogenannte Nettoprimärproduktion (NPP). Diese schafft wiederrum die Grundlage für vielfältiges Leben. Im Falle der tropischen Regenwälder, die eine sehr große strukturelle Vielfalt aufweisen, tritt dies in Kombination mit einer Fülle an ökologischen Nischen und Mikrohabitaten auf, die unterschiedliche Lebewesen besetzten können. Da die Nährstoffe primär in der Lebendmasse zirkulieren, sind die Böden relativ nährstoffarm. Das befördert biotische Interaktionen als weiteren Treiber der Biodiversität. Alles zusammen genommen resultiert in einer hohen Artenvielfalt in tropischen Regenwäldern. Insbesondere die tropischen Bergwälder sind wahre „Biodiversitätshotspots“.

Der Artenreichtum in den Tropen hat sich über mehrerer Millionen Jahre entwickelt. Durch menschliche Einflüsse sind jedoch große Veränderungen in den Tropen zu beobachten. Landnutzungsveränderungen, wie Waldrodungen für landwirtschaftliche Flächen, Infrastruktur und urbane Räume, führen zu Biodiversitätsverlust, Fragmentierung von Lebensräumen und kreieren neue Kontaktstellen zwischen Menschen und Nutztieren mit Wildtieren. Die Resilienz tropischer Wälder gegenüber großflächigen Veränderungen ist jedoch gering, wie Prof. Fiedler erörterte, weshalb die Wiederherstellung zerstörter Gebiete komplex und teilweise nicht möglich ist. Die Spezialisierung auf bestimmte Nischen, sowie die intensiven Interaktionen zwischen Arten (Tiere und Pflanzen), schaffen komplexe Abhängigkeiten, weshalb Störungen Kreise im System ziehen können. Auch der Klimawandel wird langfristig einen Einfluss auf die Ökosysteme in den Tropen haben.

Wo viel Leben ist, da sind auch Mikroben und potentielle Krankheitserreger nicht weit. Mit einigen dieser Erreger, mit sogenannten Arboviren (Viren, die durch Arthropoden, wie Mücken, Sandfliegen oder Zecken übertragen werden), beschäftigt sich Prof. Dr. Sandra Junglen, Professorin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, wo sie die Arbeitsgruppe Ökologie und Evolution von Arboviren leitet. Sie erörterte, warum man einen Zusammenhang zwischen Landnutzungsveränderungen in den Tropen und dem Auftreten von Infektionserkrankungen vermutet. Demnach verändern beispielsweise Waldrodungen lokale klimatische Bedingungen und das Vorkommen von Arten. Darunter sind auch Arten, die als Reservoir oder Vektoren von Erregern dienen. Dies hat einen Einfluss auf das Vorkommen und die Verbreitung von Krankheitserregern.

In eigenen Forschungsarbeiten (Projekt ARBOSPREAD) konnte ihr Team zeigen, dass Landnutzungsveränderungen das Vorkommen von Stechmückenarten beeinflussen. In ungestörten Lebensräumen fand sich eine höhere Diversität an Arten und eine höhere Stechmückendichte. Viele der gefundenen Stechmückenarten wurden noch nie auf Arboviren untersucht. In ihren Untersuchungen unterschied sich die Virusdiversität in den Stechmücken zwischen den unterschiedlichen Habitaten.  

Im Bezug auf das Übertragungsrisiko von Erregern in Abhängigkeit von der Biodiversität gibt es verschiedene Forschungshypothesen. Der sogenannte Dilutionseffekt (Verdünnungseffekt) geht davon aus, dass sich bei einer hohen Biodiversität das Erregervorkommen auf eine anteilig kleine Zahl an Arten verteilt. Nimmt die Biodiversität ab, kann es zu einer Zunahme bestimmter Arten und damit zu einer höheren Erregerdichte kommen. Der Abundanzeffekt, den Prof. Junglen und ihr Team beobachten konnten, beschreibt, dass erhöhte Infektionsraten durch eine erhöhte Häufigkeit von Wirtstieren hervorgerufen werden. Bei ihren Untersuchungen konnten sie eine Vielzahl an neuen Viren finden. Das Wissen über neue Erreger ist eine wichtige Komponente in der Prävention und Bekämpfung von Pandemien. Aktuell werden neue Erreger meist erst entdeckt, nachdem sie bereits die Speziesbarriere zum Menschen überwunden haben. Die systematische Untersuchung der Virenvielfalt bei Wildtieren in den Tropen erweitert das Repertoire an vorhandenen Vergleichssequenzen und kann das Finden und die Entwicklung von Diagnostikmethoden für neuauftretende Erreger beschleunigen.

Die Einzigartigkeit der Tropen mit ihrem großen Artenreichtum wurde in dem Workshop deutlich. Es zeigte sich aber auch, dass Veränderungen durch den Menschen massive Auswirkungen auf die Biodiversität der dort beheimateten Flora und Fauna haben, wobei einige dieser Veränderungen irreversibel sind. Die Biodiversitätsveränderungen beeinflussen auch das Vorkommen von Erregern und Vektoren. Hinzu kommt, dass wir eine Vielzahl an Mikroben in den Tropen aktuell noch nicht kennen. Das invasive Eingreifen des Menschen in Ökosysteme kann daher direkte Konsequenzen für die Gesundheit von Menschen und Tieren haben. Der Schutz der Umwelt und intakter Ökosysteme kann somit eine wichtige Gesundheitsschutzmaßnahme sein. Um frühzeitig auf neue Gesundheitsrisiken reagieren zu können, muss Forschung früh ansetzten, damit Zusammenhänge verstanden werden können und man nicht erst reagiert, wenn eine neue Pandemie auf dem Weg ist.

Text: Dr. Dana A. Thal, Nationale Forschungsplattform für Zoonosen

Podcastfolge zum Workshop: 

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