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Nachbericht "Zoonoses 2023 - International Symposium on Zoonoses Research"

Zoonoses 2023 - Rückschau auf 15 erfolgreiche Jahre Zoonosenforschung in Deutschland und Ausblick in Richtung „One Health“

Vom 09. bis zum 11. Oktober 2023 fand in Berlin das Symposium der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen statt. Mit 350 Teilnehmenden konnte die Veranstaltung wieder zahlreiche Zoonosenforscher:innen zusammenbringen. Während der 3-tägigen Veranstaltung wurden neueste Ergebnisse aus der Zoonosenforschung in Vorträgen und Posterbeiträgen präsentiert. Der wissenschaftliche Nachwuchs überzeugte mit kreativen Beiträgen im Poster Slam. Die vier hochkarätigen, internationalen Keynote-Vorträge standen 2023 alle unter dem Leitthema „Benefits and Chances of One Health Research“. Der One Health-Ansatz, der sich in vielen der vorgestellten Forschungsarbeiten wiederfand, unterstrich den interdisziplinären und zukunftsweisenden Charakter der Zoonosenforschung. Aber es blieb auch Zeit für einen Blick zurück: Nach 15 sehr erfolgreichen Jahren endet im November 2023 die Förderung der Zoonosenplattform. Es folgt die Weiterentwicklung in eine One Health Platform.

Die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen richtet jährlich ein Symposium für den fachlichen Austausch zwischen Zoonosenforscher:innen aus. Dieses findet seit 2009 in Berlin statt (lediglich 2020 und 2021 machte SARS-CoV-2 eine Ausnahme notwendig). Im Grußwort der Bundesministerien zur Eröffnung von „Zoonoses 2023“, welches MinDirig Dr. Rassow stellvertretend für das BMEL, BMBF, BMVg, BMG, BMZ und BMUV hielt, war vor allem die Rückschau auf 15 erfolgreiche Jahre der Zoonosenplattform ein Thema: Ein Erfolgsmodell, dass durch die Unterstützung der Bundesministerien getragen und durch die mittlerweile mehr als 1.300 Mitglieder aus verschiedenen Forschungsdisziplinen mit Leben gefüllt wird.  Mit Blick auf die Zukunft betonte Herr Dr. Rassow, dass es in Zeiten des Klimawandels und durch den Verlust von Biodiversität zwingend erforderlich ist, auch den Bereich der Umwelt bei der Bewältigung zukünftiger Aufgaben zu berücksichtigen. Die Weiterentwicklung der Zoonosenplattform in eine One Health Platform, um den One Health-Gedanken in der Infektionsforschung zu stärken, ist dabei ein logischer und zukunftsweisender nächster Schritt.

Würdigung großer Verdienste

Die Transition der Zoonosenplattform in eine One Health Plattform ist ein guter Zeitpunkt, um nicht nur nach vorn, sondern auch noch einmal zurück auf die Entwicklung der letzten Jahre zu schauen und zu fragen, wer für die Gründung und Entwicklung der Zoonosenplattform, aber auch für die jetzt kommende Zeit prägende Personen waren und sind. Besonders hervorzuheben sind zwei Menschen, deren herausragendes Engagement und die Leistungen für die Zoonosenforschung in Deutschland und für die weltweite Verbreitung des One Health-Ansatzes im Rahmen der Verleihung des „One Health Certificate of Honour“ am ersten Abend des Symposiums gewürdigt wurden: Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas C. Mettenleiter und Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Lothar H. Wieler. Nach einer sehr persönlichen Laudatio, gehalten von Prof. Dr. Martin H. Groschup und Prof. Dr. Stephan Ludwig, stellten die  beiden Preisträger neben einer persönlichen Schilderung der Anfänge der Zoonosenforschung in Deutschland, die Relevanz des One Health-Ansatzes für die Zukunft heraus. Beide freuen sich, dass der Weg von der „einen Medizin“ durch Vernetzung der Human- und Veterinärmedizin unter dem Dach der Zoonosenplattform, hin zur Betrachtung der „einen Gesundheit“ von Mensch, Tier und Umwelt geht. Dabei wurde auch noch einmal betont, dass „One Health“ mehr als Denk- und Lebenskonzept als als strikte wissenschaftliche Disziplin verstanden werden muss. Das wurde auch durch die Erläuterungen von Thomas C. Mettenleiter deutlich, der auch Gründungsvorsitzender des One Health High Level Expert Panels (OHHLEP) der WHO ist. Er schilderte den intensiven und langen Weg hin zu einer allgemeingültigen, operationellen Definition für „One Health“, um eine gemeinsame Sprache und ein gemeinsames Verständnis der Thematik zu erarbeiten. Auf Basis dieser Grundlage kann die One Health Platform ihre Arbeit aufnehmen und die inter- und transdisziplinäre Forschung in diesem Bereich stärken. Vor allem der Aspekt der Prävention sollte dabei ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt sein, betonte Thomas C. Mettenleiter. Das anwesende Publikum würdigte die Arbeit der Preisträger, die sich von Herzen über die Auszeichnung freuten, mit großem Applaus.

Abb. 1: Lothar Wieler und Thomas C. Mettenleiter freuten sich sehr über die Verleihung des One Health Certificate of Honour.

Große Themenbreite

Veranstaltungsort des Symposiums war in diesem Jahr erneut das MOA Berlin. Das lichtdurchflutete Atrium  bot erneut eine würdige Kulisse für die Posterbeiträge, die in diesem Jahr in verschiedene Sessions unterteilt wurden, um so allen Teilnehmenden die Gelegenheit zur Posterbesichtigung und Diskussion zu geben. Neben den Posterbeiträgen wurden neue Ergebnisse aus der Zoonosenforschung zudem in kurzen Fachvorträgen in acht verschiedenen thematischen Session präsentiert. Die Themen erstreckten sich hier von molekularen Pathogen-Zell-Interaktionen bis hin zur Betrachtung von Umweltfaktoren und der Ökologie zoonotischer Infektionen.

Abb.2: Das Atrium bot die Möglichkeit zum intensiven Austausch im Rahmen der Posteraustsellungen.

Kreativität und beste Unterhaltung beim Poster Slam

Highlight im Nachwuchsbereich war erneut der Poster Slam, in dem Nachwuchswissenschaftler:innen ihre Arbeiten anhand eines einminütigen Videos vorstellten. Im Posterpreis wurden die besten drei Beiträge ausgezeichnet. Norbert Peter von der Goethe-Universität Frankfurt konnte sich mit seinem Beitrag über die Ausbreitung des Waschbären (Procyon lotor), der bereits gefährdete einheimische Tierarten bedroht und ein Gesundheitsrisiko für den Menschen darstellt gegen die Konkurrenz durchsetzen. Platz zwei ging an Anna Viktoria Schantz, ebenfalls von der Goethe-Universität Frankfurt, die sich mit Marderhunden als Zoonose-Vektoren befasst. Platz drei ging an Moritz J.S. Jochum vom Helmholtz Institut für One Health, der sich mit der molekularen Charakterisierung von Streptococcus pneumoniae-Stämmen befasst, die an der Schnittstelle zwischen Mensch und Wildtier im tropischen Afrika südlich der Sahara zirkulieren.

Frühstück als Zeit zum Austausch

Im Mittelpunkt stand der wissenschaftliche Nachwuchs ebenfalls beim Young Scientist Breakfast. Das Format ermöglichte es jungen Wissenschaftler:innen etablierte Zoonosenforscher:innen bei einem gemeinsamen Frühstück mit Fragen zu ihrer Karriere und zu ihrer Forschung zu löchern.  In 2023 standen hier Prof. Dr. Simone Sommer (Universität Ulm), Prof. Dr. Sascha Al-Dahouk (Bundesumweltamt), Prof. Dr. Anja Lührmann (Universitätsklinikum Erlangen) und Prof. Dr. Stefan Pöhlmann (Deutsches Primatenzentrum GmbH) Frage und Antwort. Bei dieser geballten Expertise kam höchstens das Essen zu kurz, da das üppige Buffetangebot häufig zu Gunsten der spannenden Gespräche vernachlässigt wurde.

One Health lebt von interdisziplinärer Zusammenarbeit

Die Keynote Vorträge standen 2023 alle unter dem Leitthema „Benefits and Chances of One Health Research“. Prof. Dr. Göran Kauermann von der Ludwig-Maximilians-Universität München sprach in diesem Zusammenhang über „Statistics on Secondary Data – Traps, Risks and Gains“. Er betonte, dass Sekundärdatenanalysen möglich sind und sinnvoll sein können, wie beispielsweise während der Corona-Pandemie. Wesentlich zu beachten ist aber, dass fundierte statistische Kenntnisse sowie die intensive Zusammenarbeit aller beteiligten Wissenschaftler:innen wesentliche Voraussetzung für belastbare Schlussfolgerungen aus diesen Analysen sind. Die zweite Keynote wurde von Dr. Raina Plowright vom Cornell University College of Veterinary Medicine in New York gehalten. Sie sprach über “Pathogen spillover: can we stop it to prevent pandemics?”. Als Hindernisse für Spilloverereignisse nannte sie vier wesentliche Punkte: 1. Host-Verteilung, 2. Erreger Infektion, Ausscheidung und Überleben, 3. Verhaltensweisen, die zur Exposition führen und 4. Kompatibilität des Erregers mit dem Empfängerwirt. Am Beispiel einer Fledermauskolonie in Australien erläuterte sie, dass Landnutzungsänderungen den Kontakt zwischen Reservoirwirten und Menschen erhöhen und Verhaltensweisen fördern, die die Exposition gegenüber Wildtieren erhöhen wie z. B. Wildtierhandel und Wildtierkonsum, wodurch das Risiko von Spilloverevents steigt. Die Ökologie der Tiere und ihre Bedürfnisse zu verstehen und Lebensräume zu schützen ist gleichsam Schutz für Tier und Mensch und ein wesentlicher Punkt der Prävention. Dr. Timo Falkenberg vom Institut für Hygiene und Public Health/GeoHealth Centre in Bonn widmete sich dem Thema „One Health Beyond Zoonosis: Antimicrobial Resistance at the interface between human, animal and environmental health” und beleuchtete damit einen anderen wesentlichen One Health-Aspekt. Herr Falkenberg stellte heraus, dass resistente Bakterien, Resistenzgene und Antibiotikarückstände in der Umwelt bereits weit verbreitet sind und dass Abwässer und Oberflächengewässer als Überwachungsmatrix für diesen Eintrag dienen können. Die vierte und damit letzte Keynote des Zoonosensymposiums wurde von Prof. Dr. Marion Koopmanns vom Erasmus MC gehalten. Sie sprach über „COVID-19 exposures in animal farming and trade: insights from One Health investigations”. Sie stellte am Beispiel der Corona-Pandemie heraus, dass die Herausforderungen bei der Untersuchung von One-Health-Ausbrüchen vielschichtig sind. Bei einer starken Ausbreitung eines Erregers von Mensch zu Mensch wird dem One Health-Ansatz oft nur geringe Priorität eingeräumt. Auch in Wuhan konzentrierten sich die ersten Bekämpfungsmaßnahmen auf die Tiere, Verbote von Märkten für lebende Tiere und das Verbot der Wildtierhaltung wurden ausgesprochen. Marktketten waren sehr komplex und der Zugang zu Händlern und Lieferketten schwierig. One Health-Ausbrüche vollumfänglich zu erfassen, könne mitunter Jahre dauern und bedarf der Anstrengung vieler Akteure, die offen miteinander kommunizieren müssen. 

Abb. 3: Mit großem Interesse verfolgten die über 350 Teilnehmer:innen von Zoonoses 2023 unter anderem die Keynote-Vorträge.

Wahl des Scientific Advisory Boards

Mit Blick auf die zukünftigen Herausforderungen und die thematische Erweiterung der Zoonosenplattform hin zu einer One Health Platform wurde im Rahmen der sehr gut besuchten Mitgliederversammlung erstmals das Scientific Advisory Board der One Health Platform in zwei Wahlgängen gewählt. Im ersten Wahlgang wurden die 12 Plätze für freie Delegierte vergeben. Die Auswahl war groß, es gab 20 Bewerber:innen für die 12 zur Verfügung stehenden Sitze. Im zweiten Wahlgang wurde mit Dr. Magdalena Meyer eine weitere Vertreterin für den wissenschaftlichen Nachwuchs gewählt. Ergänzt wird das SAB zudem um die sechs Vertreter:innen aus dem Umweltbereich, die in diesem Jahr ausnahmsweise bereits im Vorfeld der Mitgliederversammlung durch den Internen Beirat der Zoonosenplattform gewählt, einen weiteren Nachwuchsvertreter, der bereits im Rahmen des JSZM 2023 gewählt wurde sowie durch die Standortleiter der Geschäftsstelle, durch die benannten Vertreter:innen der öffentlichen Gesundheitsdienste und die nicht stimmberechtigten Vertreter:innen der Ressorts und Ressortforschungseinrichtungen.


Abb. 4: Mitglieder des auf dem Symposium 2023 gewählten Scientific Advisory Boards der One Health Platform.

Dank an alle

Die Mitgliederversammlung endete mit einem großen Dank an alle, die die Zoonosenplattform zum Leben erweckt und in den letzten Jahren maßgeblich unterstützt haben. Von Seiten der Geschäftsstelle freuen wir uns auf die Herausforderungen der Zukunft, denen wir gemeinsam an den drei Standorten Universität Münster, Friedrich-Loeffler-Institut Greifswald - Insel Riems und Helmholtz-Institut für One Health Foschung, Greifswald begegnen werden. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr, dann zum One Health Symposium!  

Text: Dr. Friederike Jansen, Nationale Forschungsplattform für Zoonosen
Fotos: Sebastian Sprengel, Nationale Forschungsplattform für Zoonosen