Die Zahl der Viren, die in verschiedenen Wirtstieren identifiziert werden, steigt beständig. Das Risikopotential dieser Erreger ist meist unbekannt. Darunter befinden sich auch neubeschriebene Vertreter der Orthohantaviren. Hantavirusinfektionen gehören zu den epidemiologisch bedeutsamen Zoonosen, die ein Versagen von Lunge oder Niere auslösen können. Derzeit sind 58 Vertreter der Orthohantaviren bekannt. Für lediglich 22 ist durch Genomnachweis im Patienten geklärt, dass sie pathogen sind. Für die übrigen bislang nur in Wirtspezies detektierten Vertreter gibt es keine valide Einschätzung der Humanpathogenität. Die Einstufung anhand genetischer Sequenzanalyse ist nicht möglich, da auch bei nah verwandten Vertretern große Unterschiede in der Virulenz bestehen.
Ein Testsystem, das die Pathogenität dieser Vertreter vorhersagen könnte, wäre daher wünschenswert. Unsere Arbeiten haben das hantavirale Nukleokapsidprotein (N Protein) als Pathogenitätsdeterminante identifiziert. So führt zum Beispiel die alleinige Expression des N Proteins in Nierenzellen zu einer Verschlechterung der Motilität und der Effekt ist in seiner Ausprägung virusspezifisch, d.h. das Ausmaß der Schädigung ist für das weniger virulente Puumalavirus deutlich schwächer als für das hochpathogene Hantaanvirus.
Es stellt sich daher die Frage, ob die Auswirkungen der N Proteine auf die in vitro Motilität generell mit der Virulenz der Hantaviren korrelieren. Daher soll die Beeinflussung des Migrationsverhaltens durch apathogene Hantaviren bzw. Vertreter unterschiedlicher Pathogenität in vitro untersucht werden. Sollte das Ausmaß der Beeinträchtigung der Migrationsfähigkeit mit der jeweiligen Virulenz des Virus übereinstimmen, kann dieses Verfahren zur Risikoeinschätzung neuer Hantaviren angewendet werden. Die in vitro Testung der Pathogenität neubeschriebener Hantaviren über die Expression deren N Proteine wäre zudem ohne Arbeiten im Infektionskontext möglich. Die mit dieser Methode zur Verfügung stehende Möglichkeit zur Einschätzung des Risikopotentials neuer Hantaviren ist sowohl für die Forschungsarbeit als auch bei der Gefährdungsbeurteilung in endemischen Gebieten von Bedeutung.
Ansprechpartner:
PD Dr. rer. nat. Ellen Krautkrämer
Sektion Nephrologie des Universitätsklinikums Heidelberg
Telefon: +49 6221 9112 222
ellen.krautkraemer@med.uni-heidelberg.de
Hantaviren beeinflussen die Motilität von humanen Nierenzellen. Die zurückgelegte Distanz einzelner Zellen in einer bestimmten Zeit wurde via live cell imaging analysiert. Das Ausmaß ist virusspezifisch und zeigt sich ausgeprägter für das hochpathogene Hantaanvirus (HTNV) im Vergleich zum Puumalavirus (PUUV), das mit leichteren Krankheitsverläufen assoziiert ist (Quelle: Sektion Nephrologie, Uniklinikum Heidelberg).