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ÖGD-Projekt zu FSME: Wie erhöht man die Impfquote?

© TBD-Prev

ÖGD-Projekt zu FSME: Wie erhöht man die Impfquote?

Das Szenario erscheint nicht unbekannt: Ein wirksamer Impfstoff ist vorhanden, doch viele Menschen nutzen ihn nicht und erkranken teilweise schwer. Die Rede ist hier zur Abwechslung nicht von SARS-CoV-2, sondern von der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), die zwar mittlerweile in ganz Deutschland vorkommt, wenn auch vermehrt in Regionen Süddeutschlands, und dort den Öffentlichen Gesundheitsdienst beschäftigt. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg haben gemeinsam ein unter dem Dach des Forschungsnetzes Zoonotische Infektionskrankheiten gefördertes Projekt gestartet, um herauszufinden, an welcher Stelle genau Handlungsbedarf besteht, wenn man die Impfakzeptanz erhöhen möchte.

 

Mit zunehmenden Temperaturen beginnt im Frühjahr typischerweise die Zeckenzeit – und damit auch die Infektionszeit für Zecken-übertragene Krankheiten, was hierzulande in den meisten Fällen eine FSME- oder Lyme-Borreliose bedeutet. Bis zu fünf Prozent aller Zecken eines Naturherds in einem Risikogebiet können das FSME-Virus tragen, das zur Familie der Flaviviridae gehört,  und können es bei einem Stich sofort übertragen. Das Virus sitzt in den Speicheldrüsen der Zecke.

Bei den Infizierten kann es zunächst zu grippeähnlichen Symptomen kommen, die sich bei einem schweren Verlauf zu einer Entzündung der Hirnhaut, des Gehirns oder sogar des Rückenmarks entwickeln. Bei bis zu 15 Prozent der schwer Erkrankten bleiben Folgeschäden wie Lähmungen und psychische Veränderungen bestehen. „Die überwiegende Mehrheit, die schwer erkrankt, sind ungeimpfte Personen. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil dieser schweren FSME-Fälle durch eine Impfung hätte verhindert werden können“, sagt Dr. Merle Böhmer vom Bayerischen Landesamt. Gemeinsam mit ihrer Kollegin aus Baden-Württemberg, Dr. Christiane Wagner-Wiening, leitet sie das Forschungsprojekt mit dem Namen „ Impfakzeptanz und Management der Impfberatung zur FSME bei Ärzten und FSME Präventionsstrategien der kommunalen Gesundheitsämter in Süddeutschland”, kurz TBD-Prev Studie.

Die Notwendigkeit des Projekts lag also auf der Hand: Auf der einen Seite registrieren die Gesundheitsämter in Bayern und Baden-Württemberg seit mehreren Jahren eine Zunahme von FSME-Fällen, auf der anderen Seite liegen die FSME-Impfquoten in den beiden Bundesländern auf einem konstant niedrigen Niveau. Dies ist zwar regional unterschiedlich, aber dennoch überall verbesserungswürdig. Die Ausgangsfrage war demnach: Warum besteht diese Diskrepanz?

Ihr Forschungsprojekt, das direkt an den Verbund TBENAGER des Forschungsnetzes Zoonotische Infektionskrankheiten angedockt ist, haben die beiden Wissenschaftlerinnen grob in zwei Schwerpunkte unterteilt: die Gesundheitsämter und die niedergelassenen Ärzte. Bei beiden gilt es herauszufinden, welche weiteren Maßnahmen auf den Weg gebracht werden müssen, um die Impfbereitschaft zu erhöhen.

Eine zuvor entwickelte Umfrage für die Gesundheitsämter in Bayern und Baden-Württemberg wurde kürzlich abgeschlossen und wird aktuell ausgewertet. Abgefragt wurden unter anderem der Bedarf an Informationsmaterialien und Aufklärungshilfen wie auch beispielsweise Hilfen zur Kennzeichnung von FSME in Naturerden. Die Rücklaufquote war enorm: Rund 75 Prozent der Gesundheitsämter beteiligten sich an der Befragung. Dabei haben zwei Drittel der Gesundheitsämter weiteren Bedarf an Informationsmaterialien angemerkt – und das, obwohl ein Großteil, 71,4 Prozent, bereits vorhandene Informationsmaterialien verwendet. Nach der genauen Auswertung der Umfrage werden die Ergebnisse in den kommenden Wochen entsprechend an die Gesundheitsämter kommuniziert.

Beim zweiten Schwerpunkt des Forschungsprojektes stehen die niedergelassenen Ärzte in Bayern und Baden-Württemberg im Fokus – denn ohne sie, ohne den Patienten-Arzt-Kontakt, ist die praktische Umsetzung von Impfempfehlungen so gut wie nicht möglich.

Empfehlen die Ärzte aktiv eine FSME-Schutzimpfung? Wo besteht nach ihrer Meinung Potenzial zur Steigerung der Impfquote? Oder gibt es eventuell sogar bei der Ärzteschaft Aufklärungsbedarf? Um solche Fragen zu klären, haben Dr. Böhmer und Dr. Wagner-Wiening ein Umfragetool entwickelt. Noch in diesem Jahr sollen damit alle potenziell impfenden Arztpraxen in den beiden Bundesländern beliefert werden. Sobald die Befragung startet, wird der Fragebogen auch online auf den Seiten des Bayerischen Landesamtes und des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg stehen. Die ersten Ergebnisse werden im kommenden Frühjahr erwartet.

Ob die aktuelle Diskussion um Impfungen hinderlich für das Ziel des Projektes ist, wird sich noch herausstellen. „Einerseits haben sich Impfgegner momentan laut Gehör verschafft und beeinflussen damit leider das pandemische Geschehen, andererseits ist das Thema Impfungen und die damit verbundenen großen medizinischen Errungenschaften in das Bewusstsein vieler Menschen zurückgekehrt“, sagt Dr. Böhmer.

Denn auch wenn uns COVID-19 noch lange beschäftigen wird, auch FSME bleibt als Infektionskrankheit bestehen – und breitet sich mit ihrem Vektor, auch bedingt durch den Klimawandel, zunehmend aus.