Direkt zum Inhalt
  • 0
  • 1

NL7 2022 - Artikel 3

© Dinh Khoi Nguyen

Der Erreger in der Herde

Das humanpathogene Bakterium Coxiella burnetii ist in Deutschland weit verbreitet und wird hauptsächlich von kleinen Wiederkäuern wie Schafen und Ziegen auf den Menschen übertragen. Um sich ein Bild von der genauen Verbreitung, den Bedingungen dieser sowie den Möglichkeiten, Infektionen in der Herde zu testen und Interventionsmaßnahmen entwickeln zu können, hat an der TiHo Hannover eine Forschungsgruppe um Prof. Dr. Martin Ganter innerhalb des Forschungsnetzes Zoonotische Infektionskrankheiten mehrere Projekte gestartet.

„Bei den kleinen Wiederkäuern gibt es ein extremes Süd-Nord-Gefälle“, sagt Prof. Dr. Martin Ganter. Er hat den Lehrstuhl „Krankheiten der kleinen Wiederkäuer und klinische Laboratoriumsdiagnostik“ an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover inne. Vor allem im Südwesten Deutschlands sind etwa achtzig Prozent der Schaf- und Ziegenherden von einer Coxiella burnetii-Infektion betroffen, während im Norden nur zwischen zehn bis zwanzig Prozent der Herden infiziert sind. „Woran liegt das?“, fragt Ganter. Es ist mehr eine rhetorische Frage, die er gleich auf Grundlage seiner Studien selbst beantwortet. 

Vor allem wohl daran, sagt er, dass unterschiedliche Schafrassen gehalten werden. In Süddeutschland sind es in erster Linie Merinoschafe. Sie können das ganze Jahr über lammen, also Nachwuchs bekommen – was bedeutet, dass es fast immer trächtige Tiere in den Betrieben gibt, die während der Trächtigkeit infiziert werden können und dann den Erreger bei und nach der Geburt in großer Zahl ausscheiden und weitergeben können. In Norddeutschland dagegen werden vor allem Fleischschafrassen gehalten. Diese sind nur im Herbst und Winter trächtig und lammen daher alle zwischen Februar und April. Durch diese Saisonalität kann der Erreger nicht das ganze Jahr zirkulieren, weil er nicht ständig ausgeschieden wird. Zudem spricht viel dafür, dass heißes und trockenes Wetter die Übertragung durch Staubbildung begünstigt, während feuchtes Wetter die Übertragung eher hemmt. Letztgenanntes ist besonders während der Lammzeit in Norddeutschland der Fall. 

Insgesamt mehr als 3.300 Proben von Schafen und Ziegen aus 71 Herden hat Martin Ganter zusammen mit seinem Team serologisch und per PCR untersucht.  Um eine möglichst aussagekräftige Analyse zu bekommen, wurden Tiere aus den fünf schafreichsten Bundesländern beprobt. Das Überraschende dabei: Es gibt sehr viel mehr gemischte Schaf- und Ziegenherden als angenommen. Denn gerade die großen Herden erfüllen mehrere Aufgaben. Sie werden häufig in der Natur- und Landschaftspflege eingesetzt, was insofern von Bedeutung ist, dass die Naturschutzbehörden neben Schafen eine gewisse Anzahl von Ziegen fordern um den Verbiss von Gehölzen zu verbessern und so die Verbuschung der Landschaft zu minimieren. Dies ist insofern von Bedeutung, als Ziegen eine deutlich höhere Ausscheidungsrate an Coxiellen haben als Schafe und damit eine höhere Bakterienlast. Untersuchungen eines Betriebs mit Rindern, Schafen und Ziegen, die alle in separaten getrennten, aber nahe beieinanderliegenden Ställen gehalten wurden, zeigten klare Unterschiede: Die Durchseuchung von Ziegen war am größten, gefolgt von Schafen, gefolgt von Rindern. Dennoch gibt es Anhaltspunkte, dass in anderen Betrieben mit mehreren Tierarten die Infektion ursächlich von Rindern auf die Ziegen oder Schafe übergegangen ist.

Bei Untersuchungen, die das Team um Ganter zu Impfungen gegen Q-Fieber durchführte, zeigte sich, dass die Impfung vor allem in bereits infizierten Schaf- und Ziegenherden eine starke Immunantwort induzierte. Der Erreger konnte letztlich allerdings trotzdem nicht mehr vollständig eliminiert werden. Vor allem bei Ziegen bleibt auch bei konsequenter Impfung das Restrisiko einer persistierenden Infektion im Euter bestehen. Ausscheidungen über die Milch sind weiterhin möglich. Bei immunologisch naiven Tieren trat eine effektive zelluläre Abwehr erst nach der dritten Impfung ein. Zuvor hatten sich zwar Antikörper gebildet, eine aktive zelluläre Abwehr bestand aber erst nach der dritten Impfung. Diese jedoch wird üblicherweise erst nach neun bis zwölf Monaten vor der ersten Bedeckung gegeben.  Die Impfung sollte vor der Bedeckung der Tiere stattfinden, damit bei Trächtigkeit ein Impfschutz vorhanden ist. Dies ist jedoch schwierig, da die Bedeckung vielfach bereits im ersten Lebensjahr – also vor der dritten Impfung – stattfindet. Zudem gestaltet sich eine konsequente Durchimpfung der Herde in der Praxis zumindest schwierig. Eine Behandlung mit Antibiotika könnte die Ausscheidung von Coxiella burnetii bei einem akuten Q-Fieber-Ausbruch evtl. vollständig verhindern. Die Wirksamkeit bestimmter Wirkstoffe bedarf noch weiterer Abklärung.

Inwiefern eine Impfung den Tierhalter:innen ökonomische Vorteile bringt, ist ebenfalls nicht eindeutig zu beantworten. Zwar gibt es bei Rindern klare Anzeichen, dass sich die Impfung positiv auf die Geburtenrate und die Zwischenkalbe- bzw. Zwischenlammzeit auswirkt. Bei Ziegen geht die Anzahl der Aborte zurück. Bei Schafen war allerdings kein Unterschied zwischen infizierten und nicht infizierten Herden festzustellen. Um infizierte Herden frühzeitig entdecken und Gegenmaßnahmen einleiten zu können und das Risiko für Humaninfektionen zu minimieren, ist ein Monitoring, das heißt eine regelmäßige Beprobung der Schafherden, notwendig. Dafür müsste eine aussagekräftige Anzahl an Stichproben genommen und mittels PCR getestet werden. Dies wäre jedoch sehr teuer.
Eine Idee, um die Kosten zu senken, war daher, die Böcke, die Kontakt zu vielen weiblichen Tieren während der Deckzeit haben, auf C. burnetii zu untersuchen.  Es zeigte sich dabei, dass in Herden mit hoher Prävalenz die Präputialtupfer bei den Böcken positiv waren. Bei Herden mit niedriger Prävalenz konnten die Böcke jedoch nicht regelmäßig positiv getestet werden.  Herden, die zum Zeitpunkt der Untersuchung, wenig durchseucht sind, lassen sich demnach nicht mit ausreichender Sicherheit durch die Untersuchung der Präputialtupfer der Deckböcke aufspüren. Somit bleibt ein Restrisiko, denn ein Schaf genügt, um eine Herde zu infizieren und evtl. Humanerkrankungen zu verursachen.

Über die Verwendung von Staubtupfern, also die Sammlung von Staub aus der direkten Umgebung der Tiere, wie etwa Fensterbänke oder Böden, lässt sich das Vorhandensein von Coxiella burnetii z.B. in Ställen sehr lange nachweisen - auch wenn die akute Infektion in der Herde bereits abgeklungen ist, findet man noch große Mengen an Gensequenzen des Erregers. Dies wäre eine einfache Methode, mit der sich schnell eine Infektion innerhalb einer ganzen Herde nachweisen lassen könnte. Bislang gibt es jedoch noch kein System, um Stäube routinemäßig auf ihre Infektiosität zu untersuchen, so dass nicht geklärt werden kann, ob und wie lange die im Staub gefundenen Gensequenzen des Erregers noch mit einer Infektiosität der Bakterien verbunden ist. 

Eine andere Nachweismethode, die in den Niederlanden inzwischen üblich ist und in Melkbetrieben angewendet wird, ist die PCR-Testung der Tankmilch. So können sich nicht nur positive Herden finden lassen, sondern eventuell ist es mit der Methode sogar möglich, auch einzelnen Dauerausscheidern auf die Spur zu kommen. Milchproben sind dabei ein einfaches und kostengünstiges Hilfsmittel. 

Als Fazit lässt sich festhalten: Gerade auch im Hinblick auf den One-Health-Ansatz, nach dem die Gesundheit von Menschen, Tieren und Umwelt eng zusammenhängt, wäre eine konsequente Durchimpfung der Schaf- und Ziegenherden wünschenswert – trotz der Schwächen der Impfung. Zur Umsetzung wären allerdings gesetzliche Änderungen notwendig, mit denen auch die Frage nach der Kostenübernahme des Monitorings und der Impfung geklärt werden müsste.