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Biodiversität und Zoonosen: Die Bedeutung der Moore

Neben dem Klimawandel ist der Rückgang der biologischen Vielfalt eine ernstzunehmende Entwicklung, die in den kommenden Jahren das Leben auf der Erde in vielerlei Hinsicht beeinflussen wird. Dabei sind Wechselwirkungen zwischen Ökosystemen, Erregern, Vektor- und Wirtspezies sehr komplex, weshalb oft noch unklar ist, wie sich der Biodiversitätsverlust auf die Häufigkeit und die Übertragbarkeit einzelner Zoonosen auswirken wird. Mit der Workshopreihe „Biodiversität und Zoonosen“ der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen in Kooperation mit der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf soll die Thematik im Kontext spezieller Systeme näher betrachtet und so der Diskurs über Fachdisziplinen hinweg angestoßen werden.

Moor_Sonnenuntergang

Im ersten Teil der Workshopreihe, welcher am 10. Mai 2022 online stattfand, stand das Ökosystem Moor im Fokus. Um hier alle Teilnehmenden auf den gleichen Wissensstand zu bringen, erörterte Dr. Franziska Tanneberger, Wissenschaftlerin an der Universität Greifswald und Leiterin des Greifswald Moor Centrums, zunächst die Grundfrage: „Was sind Moore?“. Mithilfe von Fotografien verschiedener Moorarten räumte sie dabei mit dem Bild auf, welches viele mit Mooren assoziieren: karge Landschaften voller Mythen und Geheimnisse, in denen schaurige Gestalten umherwandeln, wie Kunst und Literatur, beispielsweise Annette von Droste-Hülshoffs Gedicht „Knaben im Moor“, sie geprägt haben.

Deutschlands Moore – eher trocken als nass

In Wahrheit können Moore sehr unterschiedlich aussehen und stellen sehr spezielle Ökosysteme dar, die meist durch an nasse Bedingungen angepasste Flora und Fauna charakterisiert sind. Der Begriff „Moore“ wird sowohl für die nassen als auch für die entwässerten verwendet, wobei hier gleich ein Kernproblem zu finden ist. Denn auch wenn Moore weltweit verbreitet sind, wurden viele von ihnen zur Nutzbarmachung des Landes entwässert. In Deutschland befinden sich demnach nur 2% der Moore in einem naturnahen Zustand während die anderen 98% entwässert sind und als landwirtschaftliche Nutzflächen, Siedlungs- oder Infrastrukturflächen dienen. Dieser Status der Moore ist nicht nur aus Sicht der Biodiversität ein Problem, sondern auch in Hinblick auf den Klimawandel und die notwendige Reduktion der Treibhausgasemissionen. Moore sind ein gigantischer globaler Kohlenstoffspeicher und je niedriger ihr Wasserstand, desto mehr Treibhausgase setzen sie aufgrund beginnender Verrottungsprozesse der im Moor gespeicherten Biomasse frei. Laut Dr. Tanneberger sind ca. 7% der jährlichen CO2-Emissionen (53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente) in Deutschland auf entwässerte Moore zurückzuführen.

Nasse Moore gegen den Klimawandel

Die Wiedervernässung von Moorgebieten ist daher nicht nur im Kampf gegen Biodiversitätsverluste anzustreben, sondern kann auch gegen den Klimawandel ein wichtiges Werkzeug sein. Zudem können Moore helfen, lokal die Wasserqualität zu verbessern, einen Hochwasserrückhalt bieten und Verdunstungskühlung liefern. Ein guter Kompromiss zwischen Landnutzung und Renaturierungsmaßnahmen könnten Paludikulturen sein, d. h. die land- und forstwirtschaftliche Nutzung nasser Hoch- und Niedermoore, wie z.B. der Anbau von Schilf, Torfmoosen und Röhrichten oder die Haltung an nasse Böden angepasster Nutztiere (z.B. Wasserbüffel). Paludikulturen scheinen ebenfalls einen positiven Einfluss auf die moortypische Biodiversität zu haben.

Moore als Lebensraum für Stechmücken

Eine Wiedervernässung von Moorgebieten bietet also zahlreiche Vorteile und könnte zum Erreichen einiger Sustainable Development Goals (SDGs) der WHO beitragen. Wo Feuchtgebiete sind, da sind Stechmücken jedoch meist nicht weit, weshalb sich die Frage aus Sicht der Zoonosenforschung stellt, was die Wiedervernässung von Moorgebieten für die Ansiedlung von Stechmückenarten und potentiell für die Verbreitung von Stechmücken-übertragenen Erregern bedeuten könnte.

Eine Person, die hierauf Antworten sucht, ist Dr. Mandy Schäfer. Die Leiterin des Labors für Stechmücken-Monitoring am Friedrich-Loeffler-Institut forscht seit mehr als 10 Jahren in den Bereichen Monitoring, Taxonomie und Ökologie blutsaugender Arthropoden, insbesondere Stechmücken und der von ihnen übertragenen Krankheitserregern. So vielfältig wie die Moore, so divers können auch Stechmücken sein. Weltweit sind etwa 3500 Arten bekannt, die sich an bestimmte ökologische Systeme angepasst haben. Dementsprechend gibt es zahlreiche potentielle Bruthabitate in Mooren, die zu verschiedenen Jahreszeiten von unterschiedlichen Stechmücken besiedelt werden können.

Potentielle Zoonoserisiken früh erkennen

Eine Begleitung von Wiedervernässungsmaßnahmen mit Monitoring-Aktivitäten ist ein guter Weg, um Entwicklungen zu begleiten und mögliche Gesundheitsrisiken frühzeitig zu erkennen. Das Stechmückenmonitoring kann dabei auf die terrestrische Phase der Insekten durch Fallen abzielen, oder aber auf ihre aquatische Entwicklungsphase als Larve. Mit Citizens Science Projekten, in denen sich Bürger:innen beim Monitoring beteiligen können, wie beispielsweise beim Mückenaltlas, lassen sich meist nur Siedlungsnahe Gebiete abdecken, was Moore häufig außen vor lässt. Dementsprechend wenig ist bisher über die Ansiedlung von Mückenarten im Zuge von Wiedervernässungsmaßnahmen bekannt. Das Gleiche gilt für die Eignung von Paludikulturen als mögliche Überwinterungshabitate (z.B. Schilf) für Stechmücken. Aus Sicht der Zoonosenforschung sind diese Aspekte durchaus relevant, da einige Stechmückenarten als Vektoren von Zoonosen fungieren können und die Überwinterung von Stechmückenpopulationen die Persistenz eines Erregers über das ganze Jahr hindurch ermöglichen kann, ohne dass dieser neu in eine Region eingeschleppt werden muss.

Um ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, haben sich die beiden Wissenschaftlerinnen zu einem gemeinsamen Forschungsprojekt zusammengetan, in dem sie die Wiedervernässung eines Moorgebietes sowohl auf Seite der Ökologie als auch auf Stechmücken- und Erregerseite begleiten wollen. Erste Ergebnisse aus dem Projekt werden in den nächsten Jahren erwartet.

Stechmücken als Teil gesunder Ökosysteme

Wer nun aber voller Angst vor Stechmücken-übertragenen Zoonosen Wiedervernässungsmaßnahmen von Mooren skeptisch gegenübersteht, der kann beruhig sein, denn nur wenige Stechmückenarten sind Vektoren von Zoonoseerregern und ihr Flugradius ist häufig sehr gering, weshalb Moor-ansässige Stechmücken nicht unbedingt in Kontakt mit Menschen kommen. Vielmehr sind sie eine wichtige Nahrungsquelle für andere Arten und sehr wertvoll für ein gesundes Ökosystem. Zudem bieten auch entwässerte Moore Habitate für einige Stechmückenarten (wie beispielsweise Entwässerungsgräben).

Kommunikation und Aufklärung

Die Wiedervernässung von Mooren ist aus vielerlei Sicht erstrebenswert: um dem Klimawandel entgegen zu wirken, moorspezifische Biodiversität zu erhalten und aufgrund ihrer positiven Gesundheitseffekte durch ihre Filterfunktionen und Kühlungseffekte. Funktionale Moore können also einen wertvollen Beitrag zu einer gesunden Umwelt beitragen. Um frühzeitig auf eventuelle neue oder veränderte Risiken durch Stechmücken-übertragene Erreger durch wiedervernässte Moore reagieren zu können, sind begleitende Monitoring Maßnahmen wichtig. So können im Sinne des One Health-Konzeptes die komplexen Auswirkungen der Umweltveränderungen auf Infektionskrankheiten im Blick behalten werden. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Öffentlichen Gesundheitswesen und eine gute Information und Weiterbildung des ÖGD auf diesem Gebiet und die transparente, informative Kommunikation mit der Bevölkerung sind weitere wichtige Schlüsselelemente, um die Akzeptanz in der Gesellschaft für Wiedervernässungsmaßnahmen zu steigern und ggf. Infektionserkrankungen vorzubeugen.

Eine kurze Zusammenfassung des Workshops gibt es auch zum Nachhören in einer Podcastfolge mit den beiden Referentinnen.

Text: Dr. Dana A. Thal, Nationale Forschungsplattform für Zoonosen

Podcastfolge zum Workshop:

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