Skip to main content

Genügsame Blutsauger

Source: Dr. Gary Alpert, CDC

Genügsame Blutsauger

Afrikanische Urwälder und asiatische Wildtiermärkte: Wer an Zoonosen - also an Infektionskrankheiten, die von Tier zu Mensch übertragen werden - denkt, denkt oft an exotische, eher weit entfernte Orte. Krankheiten wie das Denguefieber, Ebola, Malaria und Zika scheinen dies zu belegen. Mit dem heimischen Garten, dem Waldspaziergang oder dem Parkbesuch verbinden die wenigsten Menschen Zoonosen. Zu Unrecht. Denn auch hier ist das Risiko für Übertragungen hoch.

 

Hierzulande sind die drei bis vier Millimeter großen Tiere der Klasse der Spinnentiere eher faul und genügsam – und doch sind Zecken typische Überträger von Infektionen. Gerade einmal ein bis zwei Meter bewegt sich etwa der in Deutschland weit verbreitete Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) von selbst während seines gesamten Lebens. Die Fortbewegung übernimmt für ihn sein Wirt. Denn als Parasit ist die Zecke auf verschiedene Tierarten oder eben auch den Menschen als Nahrungsquelle angewiesen.

Mit dem Einsetzen des Frühlings beginnt in Deutschland typischerweise auch die Zeckenzeit. Allerdings ist nicht die Jahreszeit entscheidend, sondern die Bodentemperatur. Ab ungefähr 8°C setzt die Aktivität der Zecken ein. Zunehmend milde Winter begünstigen daher die ganzjährliche Zeckenaktivität. Während sie sich in den kalten Wintermonaten unter Laub, in Mäusenester oder ähnlichem aufhalten, kommen sie mit steigender Temperatur an die Oberfläche. Dort bevorzugen sie dann Plätze wie Unterholz, hohe Gräser, Büsche und Gestrüpp mit hoher Luftfeuchtigkeit. Streift ein potenzieller Wirt durch diesen Lebensraum, heften sie sich an ihn.

Weltweit mehr als 900 Zeckenarten wurden bisher gezählt. Rund achtzig Prozent der Arten werden dabei der Familie der Schildzecken, zu der auch der Gemeine Holzbock gehört, zugeordnet.

Europaweit sind Zecken die größten Verbreiter von zoonotischen Krankheiten, weltweit rangieren sie auf Platz zwei – direkt hinter den Mücken. Beide stechen ihren Wirt um sich von dessen Blut zu ernähren. Die Zecke geht dabei etwas komplexer vor: Zunächst schneidet sie mit ihren Mundwerkzeugen die Haut des Wirts ein, anschließend verwendet sie ihren zungenähnlichen Stechapparat um in die Wunde einzudringen und sich aus ihr zu ernähren. Bis die Zecke gesättigt ist und circa das Hundertfache ihres vorherigen Körpergewichts zugelegt hat, vergehen mehrere Tage. Dass der Wirt hiervon in der Regel nichts mitbekommt, liegt an einem schmerzstillenden Stoff, den die Zecke über ihren Speichel in die Haut ihres Opfers abgibt.

Wie auch Mücken verbreiten Zecken so eine ganze Reihe von Viren und Bakterien – und sind damit gleich für mehrere zoonotische Infektionskrankheiten verantwortlich. In Deutschland sind das vor allem die Lyme-Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Während die Borreliose eine bakterielle Erkrankung ist, wird FSME durch Viren verursacht.   

Das FSME-Virus, das zu den Flaviviren gehört und verwandt mit dem Dengue- und Gelbfieber-Virus ist, sitzt in den Speicheldrüsen der Zecke. Somit kann es also direkt beim Stich übertragen werden. Rund ein Drittel der Infizierten leidet ein bis zwei Wochen nach dem Zeckenstich unter grippeähnlichen Symptomen, Fieber-, Kopf- und Gliederschmerzen. In schweren Verläufen kann es dann in der Folge nicht nur zu einer Entzündung der Hirnhaut sondern auch des Gehirns kommen. Mitunter ist auch das Rückenmark betroffen. Durchschnittlich in einem Prozent der Fälle endet der Verlauf tödlich. Zwar gibt es keine Medikamente gegen das FSME-Virus, jedoch ist ein Impfstoff vorhanden, der Menschen, die sich in Risikogebieten viel im Freien aufhalten, empfohlen wird.

Einen Impfstoff gegen Lyme-Borreliose gibt es hingegen nicht. Allerdings kann sie mit Antibiotika behandelt werden. Hier gilt: Je früher, desto besser. Unbehandelt kann eine Borreliose Folgeschäden wie etwa chronische Nerven- oder Gelenkschmerzen verursachen. In den meisten Fällen ist eine Infektion anhand der sogenannten Wanderröte, einer rötlichen Färbung der Haut rund um die Einstichstelle, zu erkennen. Bis zur Rötung können mitunter jedoch dreißig Tage vergehen. Die Krankheitssymptome können sehr unterschiedlich sein und bei Befallen des Nervensystems brennende und stechende Schmerzen sowie Lähmungen der Gesichtsnerven und Seh- und Hörstörungen verursachen.

In Risikogebieten tragen bis zu fünf Prozent der Zecken FSME-Viren in sich. 164 Landkreise, vor allem in Süddeutschland gelegene, bezeichnet das Robert-Koch-Institut aktuell als FSME-Risikogebiete. 444 FSME-Erkrankungen zählte das RKI 2019. Borreliose-Erreger hingegen tragen bis zu dreißig Prozent aller Zecken in sich. Da sowohl die Infektionen mit dem FSME-Virus als auch mit dem Borrelia-Bakterium in den meisten Fällen mild bis asymptomisch verlaufen, sind genaue Infektionszahlen schwierig zu bestimmen. Schätzungen zufolge infizieren sich pro Jahr in Deutschland bis zu 240.000 Menschen mit Borreliose, mehr als 50.000 erkranken daran.

Als Vorbeugung gegen einen Zeckenstich hilft neben langer Kleidung auch ein entsprechendes Anti-Zecken-Präparat.  Zwar gehören Zecken zur Klasse der Spinnentiere, erkennbar an den acht Beinen, während Insekten sechs Beine haben, aber meisten werden Kombi-Präparate angeboten. Denn es verändert den Körpergeruch, die Temperatur und die Feuchtigkeit der Haut. Da die Zecke aber durch ihr Hallersches-Organ, ein Sinnesorgan, das sich in ihren vorderen Beinpaaren befindet, Duftstoffe, Körperwärme und auch Erschütterungen in ihrer Umgebung wahrnimmt, fällt es ihr schwerer, den Menschen zu orten.

Hat eine Zecke ihren Blutdurst erst einmal gestillt so durchläuft sie den nächsten Entwicklungsschritt hin zu ihrem nächsten Stadium oder legt als Weibchen mehrere tausend Eier. Zecken auf Wirtssuche kommen mindestens ein Jahr lang ohne Nahrungsaufnahme aus. Die Parasiten benötigen also sehr lange keinen neuen Wirt. Dennoch: Auch ihre potenziellen Infektionserreger behält die Zecke in dieser Zeit – und könnte sie bei ihrem nächsten Stich weitergeben.

 

Quellen:

  • https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/08_20.pdf?__blob=publicationFile
  • https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/FSME/Zecken/Zecken.html
  • https://www.gesundheit.de/krankheiten/infektionskrankheiten/krankheiten-durch-zecken-fsme-und-borreliose/krankheiten-durch-zecken
  • https://www.zecken.de/de/sind-zecken-gefaehrlich-welche-krankheitserreger-koennen-sie-uebertragen
  • https://www.apotheken-umschau.de/Borreliose/Lyme-Borreliose-Welche-Symptome-kommen-vor-11854_3.html
  • https://www.sdw.de/waldwissen/verhalten-im-wald/zecke/index.html
  • https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/zecken-werden-zur-dauergefahr-wegen-milder-winter-a-3086abbe-3e24-4922-acae-a9d3e259b41b
  • https://www.spiegel.de/gesundheit/zecken-in-deutschland-drk-warnt-nach-mildem-winter-a-e0c6379a-ca79-4865-a17a-c1c84a96db89

Koordinationsbüro

c/o Institut für Virologie Charité - Universitätsmedizin Berlin
Campus Charité Mitte
Charitéplatz 1, 10117 Berlin