Wenn Hund und Mensch sich alles teilen – auch die Bakterien
Interview mit Dr. Antina Lübke-Becker, Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen, Fachbereich Veterinärmedizin, Freie Universität Berlin
Dr. Antina Lübke-Becker
Am Rande von Berlin – auf dem Campus Düppel – forscht Dr. Antina
Lübke-Becker an Bakterien, die Mensch und Tier das Leben schwer machen. Sie
leitet die Arbeitsgruppe Infektionsdiagnostik und molekulare Epidemiologie am
Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen des Fachbereiches Veterinärmedizin
an der FU Berlin und ist – nach dem Wechsel des vorherigen Institutsleiters
Prof. L. H. Wieler zum Robert Koch-Institut - zur Zeit auch kommissarische Leiterin
des Instituts.
Dr.
Lübke-Becker, was erforschen Sie?
Mein Lieblingsobjekt sind zoonotische Bakterien. Aus der Infektionsdiagnostik,
die wir betreuen, haben sich verschiedene interessante Forschungsprojekte
entwickelt, weil wir da direkt am Puls der Zeit sind. Wir sehen, was sich tut
bei den Bakterien, die wir von den Tieren isolieren. Zum Beispiel haben wir
festgestellt, dass nosokomiale Infektionserreger auch in die Tiermedizin Einzug
gehalten haben. Und das betraf zunächst vor allem Methillicin-resistente
Staphylokokken, aber auch ESBL-bildende Enterobakterien.
Wer
infiziert denn wen? Das Tier den Menschen oder der Mensch das Tier?
Das lässt sich im Einzelfall nicht so genau sagen, aber beide Richtungen
sind nach dem, was wir so sehen, möglich. Unser Schwerpunkt lag bisher bei den
Staphylokokken und da haben wir den Hinweis, dass die kleinen Haustiere durch
den Menschen mit den Erregern in Kontakt kommen. Dabei kann es zu einer
symptomlosen Kolonisierung kommen, andererseits können sie durchaus auch
Infektionen erleiden. Aber der Weg geht dann genauso gut in die andere
Richtung: Wenn ein Haustier z.B. mit Methicillin-resistenten Staphylokokken
infiziert oder auch nur kolonisiert ist und beim Mensch rekurrierend immer wieder
Infektionen auftauchen, dann kann man davon ausgehen, dass eine mögliche
Infektionsquelle das Haustier ist.
Aber
gerade wurde eine Studie von Ihnen und Kollegen veröffentlicht, in der es um Clostridium difficile geht – wie kam es
dazu?
Bisher wusste man sehr wenig über die Kolonisation mit Clostridium difficile beim kleinen
Haustier. Es gibt zwar viele Studien, aber man konnte keine validen Aussagen
über die Kolonisationsraten treffen, weil stets entweder nur ganz bestimmte Gruppen
untersucht wurden, z.B. Patienten aus Tierkliniken, oder weil nur geringe
Zahlen von Patienten untersucht wurden. Und so entstand bei einem Treffen mit
Christian Seybold aus der Arbeitsgruppe Clostridien vom Friedrich-Loeffler-Institut
und mit Tim Eckmanns vom Robert Koch-Institut (RKI) die Idee, auch mal zu
gucken, wie das mit Clostridium difficile
bei den „companion animals“ ist. Also bei den Tieren, die mit dem Menschen im
engsten Kontakt sind: Haustiere, wie z.B. Hunde und Katze.
Was
genau haben Sie dann erforscht?
Bei Clostridium difficile wusste
man, wie auch bei MRSA, dass ein besonderes Risiko für Kolonisation und
Infektion bei den Patienten besteht, die Klinikaufenthalte gehabt haben, oder
eine Antibiotika Therapie, älter sind oder komorbid. Aber dann verschob sich das
Bild ein bisschen: Es wurden auch bei Patienten, die nicht zu diesen
Risikogruppen gehören, häufiger Infektionen mit Clostridium difficile festgestellt. Da fragte man sich, was die
Quelle sein könnte, und hat eine ganze Menge Untersuchungen gemacht, z.B. von landwirtschaftlichen
Nutztieren, und ist dort eben auch z.T fündig geworden. Aber uns hat
interessiert, was mit den Tieren ist, die ganz engen Kontakt zu Menschen haben,
ob die auch eine mögliche Quelle sind, und wie häufig sie Clostridium difficile in sich tragen.
Und
was haben sie gefunden?
Wir haben Tierbesitzer und ihre Haustiere untersucht, und zwar Kotproben
von den Tieren und Stuhlproben von den Menschen. Dabei haben wir relativ
niedrige Isolationsraten feststellen können. Bei den Tierbesitzern deckt sich
die Isolationsrate mit dem, was man sonst so der Literatur für gesunde Menschen
entnehmen kann. Bei Menschen, die sich nicht im Krankenhausumfeld bewegen,
liegt die Rate bei um die 3 Prozent und bei den Tieren sah es ähnlich aus: Bei
den Hunden waren in unserer Studie 3,3 Prozent positiv, bei den Katzen etwas
unter 3 Prozent. Das sind schon eher niedrige Isolationsraten.
Also
eine Enttäuschung?
Nein, das nicht. Man muss bedenken: Vorher hatte man ja gar keine
Anhaltspunkte wie hoch die Isolationsrate ist. Man hatte nur diese nicht gut
vergleichbaren Studien mit geringeren Tierzahlen und mit einer sehr, sehr großen
Varianz: Da waren teilweise über 10 Prozent der untersuchten Tiere Clostridium difficile positiv, aber das
waren eben Studien, die nicht wirklich repräsentativ waren. deswegen war es
noch schwieriger, vernünftige Schlüsse zu ziehen. Außerdem haben wir die isolierten
Clostridien auch molekular typisiert – das war ganz aufschlussreich.
Was
haben Sie da gefunden?
Wir haben beim Tier durchaus
Ribotypen, also Genotypen, gefunden, die auch häufig vorkommende Ribotypen beim
Menschen sind. Und was uns ein bisschen alarmiert hat ist, dass darunter auch
Ribotypen waren, die als hoch virulent gelten, weil sie noch ein weiteres, sogenanntes
binäres, Toxin bilden. Toxine spielen bei der Pathogenese von Clostridium difficile eine wichtige
Rolle. Ribotyp 27 und Ribotyp 78 sind die Ribotypen, die unter anderem das
binäre Toxin produzieren und als höher virulent anzusehen sind, d.h.
gefährlicher sind, wenn es zu einer Infektion kommt. Wir haben genau diese Ribotypen
auch bei Hunden und Katzen gefunden: Ribotyp 78, der auch bei landwirtschaftlichen
Nutztieren relativ häufig gefunden wurde. Er ist auch an Clostridium difficile Infektionen beteiligt, die nicht mit dem Krankenhaus
assoziiert sind. Ribotyp 27 hat man bisher nicht so häufig bei kleinen
Haustieren gefunden. Das ist in unserer Studie hier zumindest für Europa
unseres Wissens nach das erste Mal.
Was
geschieht, wenn sich ein Mensch mit diesen Clostridien infiziert?
Das kann sich klinisch sehr unterschiedlich äußern, von leichten
Durchfällen bis hin zu einer richtig schlimmen Colitis , die dann auch durchaus
lebensgefährlich ist. Das ist von vielen Faktoren abhängig, z.B. davon, wie
gesund der Patient sonst ist.
Werden
Sie diesen Ansatz weiterverfolgen?
Wir wollen noch genauer untersuchen, warum wir einerseits gleiche Ribotypen,
andererseits aber kein Pärchen zwischen Mensch und seinem Haustier finden konnten.
Wir können nicht direkt ausschließen, dass es zu einer Übertragung von Clostridium difficile vom Haustier auf
den Menschen oder auch umgekehrt kommt. Andererseits kann es auch nur sein, dass
es eine gemeinsame Quelle gibt, über die beide ihre Bakterien bekommen. Das ist
eine Richtung, die uns sicherlich interessiert. Wir haben ja nicht nur die Kot-
und Stuhlproben untersucht, sondern begleitend noch einen Fragebogen von den Besitzern
ausfüllen lassen, um bestimmte Risikofaktoren, die beim Menschen und beim Tier
vorlagen, zu erkennen. Wir wollen wissen, ob z. B. die Form, wie die Tiere
gefüttert werden, einen Einfluss darauf hat, ob sie Clostridium difficile positiv sind, oder auch ob ein Kontakt zu
anderen Tiergruppen eine Rolle spielt.
An der Studie waren
mehrere Wissenschaftler beteiligt: Veterinärmediziner wie Sie und Epidemiologen
vom RKI. Stoßen da zwei Welten aufeinander oder ist das gar kein Unterschied
zwischen Human- und Tiermedizinern?
Wir Veterinärmediziner können ja nicht objektiv einschätzen, ob wir die
Arbeitsbereiche der Humanmediziner zu deuten wissen. Aber ich glaube andersherum
stößt man manchmal auf Unverständnis oder auf fehlende Infos. Die Vorstellung
davon, was Tiermediziner so machen, da ist schon Aufklärungsbedarf notwendig. Es
existieren vielleicht auch Vorurteile. Tierärzte haben ja das sogenannte
Dispensierrecht, d.h. sie verdienen z.B. Geld mit Abgabe von Antibiotika und
das ist immer ein Diskussionspunkt.
Fördert
die gemeinsame Arbeit auch das gegenseitige Verständnis?
Klar, man lernt sich immer
besser kennen. Wir haben schon im Rahmen von MRSA zusammengearbeitet, auch mit
dem RKI, das hilft enorm. Und es ist auch wichtig, da dabei Ideen für neue
Forschungsprojekte entstehen: Bei einem solchen Projekt, das demnächst bearbeitet
wird - im Rahmen des vom BMBF geförderten „Infect Control“, wird es erneut eine
Zusammenarbeit zwischen Humanmedizinern des RKIs, der Charité und uns geben.
Denn es ist notwendig, gerade in Bezug auf Resistenzentwicklung und Resistenzselektion
von Mikroorganismen, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen und geeignete
Strategien zur Verhinderung entwickeln.
Vielen
Dank für das Gespräch!
Das Interview führte
Christina Sartori für die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen